Ein täglicher Gedanke in Zeiten des Virus – Tag 38

Das Ziel aller Weisung ist die Liebe, die aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben kommt.
1. Tim 1,15

Ein eigenartiger Vers. Das Ziel der Weisung ist die Liebe. Gerade so, als ob die Liebe ein Schulfach wäre, das unterrichtet werden könnte wie die Mathematik. Wer in Mathematik unterwiesen wird, der erlangt Kenntnisse in den verschiedenen Teilgebieten der Mathematik in Geometrie, Algebra, Stochastik und so weiter. Gilt dies auch für die Liebe? Wenn Liebe ein Schulfach wäre, wären seine Teilgebiete dann das reine Herz, das gute Gewissen und der ungeheuchelte Glaube.

Doch kann man Liebe lernen?

Ich denke, dass wenn wir von Liebe reden, wir heute die romantische Liebe meinen. Sie ist ein umfassendes Gefühl. Wir erleben sie. Im Herzklopfen bei der ersten Begegnung. In den Schmetterlingen, die in unserem Bauch tanzen. In der Rosabrille, in der alles ein wenig schöner erscheint. In der Vertrautheit, die von Tag zu Tag wächst. In den gemeinsamen Plänen, die mit viel Zuversicht angepackt werden. Mit dem Versprechen, das Leben als gemeinsamen Weg zu gehen. Beim Erwachen, wenn im Blick des anderen uns Geborgenheit umfängt. Im Streit, der zur Versöhnung führt. Im Vermächtnis, dass von uns bleibt.

Die romantische Liebe ist eine geheimnisvolle Kraft, die unser Leben gestaltet. Sie festigt unsere Beziehungen. Sie gibt ihnen Dauer. Sie gründen auf ihr. Wenn sie zerbricht, dann zerbricht alles. Sie ist die Kraft, die uns zusammenbindet. Wir sind ihr ausgeliefert. Sie hat Macht über uns. Im Guten, wo sie uns verbindet. Im Dunkeln, wo sie uns trennt.

Ama et fac, quod vis – Liebe und mach, was du willst – sagte Augustin. Er lehrte als Theologe und predigte als Bischof von Hippo Regius im heutigen Algerien. Eine Frage, die seine Gemeinde beschäftigte, lautete in etwa: Wie lassen sich Sünden vermeiden? Denn damals glaubten die Christinnen und Christen, dass mit der Taufe alle Sünden vergeben waren und man nach der Taufe ein sündloses Leben führen musste. Eine zweite Möglichkeit der Vergebung für Sünden nach der Taufe war nicht vorgesehen. Die Gemeindeglieder sorgten sich um ihr Seelenheil. Was ist zu tun, wenn zwei Gebote einander entgegenstehen? Gilt zum Beispiel das Gebot «Du sollst nicht lügen?» auch in der Zeit der Christenverfolgung, wenn die Wahrheit zu sagen, nicht nur das eigene Leben, sondern auch das Leben eines Nachbarn und Mitchristen gefährdete?

Augustin wies seiner Gemeinde einen Ausweg, indem er ihnen die Liebe als Kompass gab. Wer aus der Liebe handelt, der kann nicht sündigen.

Ich denke, es ist deutlich, dass Augustin mit der Liebe viel mehr meint als unsere romantische Liebe. Liebe ist viel grösser als ein Gefühl. In der Nächstenliebe wirkt eine Kraft, die über die Kraft hinausgeht, die unsere Beziehungen trägt. Diese Liebe gestaltet die ganze Welt. Sie ist Grundlage des ethischen Handelns.

So komisch es zunächst klingt, diese Art der Liebe ist lernbar. Man kann sich in ihr einüben. Man kann in ihr wachsen, wie man in der Fähigkeit wachsen kann mit Hilfe der Mathematik Aufgaben zu lösen. Je mehr man übt, umso leichter fällt es einem. Was einem in der ersten Klasse noch unlösbar schien, wird in der sechsten Klasse eine Leichtigkeit sein. Wie man das Einmaleins lernt und immer besser beherrscht, so kann man auch die Nächstenliebe lernen.

Ihr Einmaleins ist das reine Herz, das gute Gewissen und der ungeheuchelte Glaube. Es ist das Handeln im Vertrauen auf Jesus Christus. In ihm dürfen wir hoffen. Er führt uns zum Nächsten. Wo wir in seiner Liebe handeln, da handelt Gott durch uns.

Zu kompliziert? Mag sein. Vielleicht ist diese Art der Liebe uns zu fremd geworden. Aber sie kommt in einer einfachen Frage zum Ausdruck. Handeln wir nach ihr, dann tun wir gewiss das Richtige. Auch wenn wir nicht mehr wie die Gemeinde des Augustins um unser Seelenheil fürchten, so wollen wir doch das Richtige tun. Wir dürfen uns von der Frage leiten lassen: «Was würde Jesus tun?» Sie ist unsere Form des ama et fac, qoud vis.

Gebet

Jesus
Was würdest du tun, angesichts der Not unserer Welt?
Was würdest du uns sagen, um uns unsere Sorgen und Ängste zu nehmen.
Was würdest du an unserer Stelle zu unserem Nachbarn und zum Fremden bei uns sagen?
Was würdest du zu tun uns empfehlen, angesichts der Not der Menschen auf Lesbos?
Was würdest du tun für die Menschen am Rand der Gesellschaft?

Wissen wir die Antwort nicht längst?
Wissen wir nicht, was du tun würdest?
Warum tun wir es dann nicht?
Amen

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