Der HERR stützt alle, die fallen, und richtet alle Gebeugten auf.
Ps 145,14
Wäre Corona nicht, ich wäre nicht hier. Ich wäre an diesem Wochenende in Auenstein und würde an einem Langbogenturnier teilnehmen. Gewandet wie ein Bogenschütze des frühen Mittelalters würde ich mich mit Gleichgesinnten treffen. Wir würden fachsimpeln und unsere Pfeile gegen den Himmel schiessen.
Cloudschiessen nennt sich die Disziplin. Es gilt die eigenen Pfeile möglichst nahe an einen Stock heran zu schiessen. Der Bogenschuss mit grosser Zuverlässigkeit in ein kleines Areal bei hoher Kadenz der Pfeile, dies machte die Langbogenschützen im Mittelalter zu einer gefährlichen und effizienten Gruppengattung. Das Cloudschiessen war ihr Wettbewerb. Hier und nicht auf dem Kriegsfeld konnten sich die Schützen einen Namen machen. Denn im Wettbewerb zählte Klasse und nicht Masse. Es wäre ein wunderbareres Erlebnis gewesen, es ihnen gleichzutun.
Doch Corona kam. Die Welt stürzte. Mancher geht in dieser Zeit gebeugt. Nicht weil ihm der Rücken schmerzt. Nicht aus Demut. Sondern aus Sorge um die Zukunft. Eine unsichtbare Last liegt auf den Menschen. Federleicht und doch tonnenschwer beugt sie uns alle.
Es soll Menschen geben, die in dieser Zeit fragen, wie Gott dieses Leid zulassen kann. Wo ist er, dieser Gott, der die ganze Welt stützt und uns gebeugte aufrichtet? Wo steckt er? Warum hilft er nicht? Die Frage nach der Theodizee erledigt für manchen modernen Menschen die Frage nach Gott.
Doch ist es mit Gott nicht wie mit dem Langbogen des Schützen? Der Pfeil fliegt nicht, nur weil es ein Ziel gibt. Der Bogen schnellt ihn nicht von alleine ab. Es braucht den Bogenschützen. Er muss sich mit seinem Bogen auseinandersetzen. Es hilft nichts den Bogen vorwurfsvoll zu fragen, warum er den Pfeil nicht schnellen lässt. Der Pfeil findet sein Ziel nicht ohne den Schützen.
Erst wenn der Schütze die Sehne spannt und sich auf den Bogen einlässt, kann der Schuss gelingen. Der Bogen leistet Widerstand. Er muss gezogen werden. Gott ist keine Wunscherfüllungsmaschine. Er wirkt nur, wo wir uns auf ihn einlassen. Er zeigt sich, wenn wir uns mit ihm auseinandersetzen. Er ist ein widerständiger Gott. Er fordert unseren Einsatz. Er fordert unsere Kraft.
Doch nicht die Kraft des Körpers. Er lässt sich nicht mit Muskeln spannen. Doch die Kraft unserer Seele. Gott wirkt, wo sich die Seele mit ihm auseinandersetzt. Wo sie sich auf ihn verlässt. Wo sie vertraut. Das sind ihre Muskeln. Das Vertrauen und das Hoffen auf Gott.
Der Bogenschütze gewinnt seine Kraft indem er sich über Jahre hinweg mit seinem Bogen auseinandersetzt. Er zieht ihn. Er schiesst ihn. Er lässt seine Pfeile fliegen. Mit jedem Schuss wächst seine Kraft. Mit jedem Schuss fällt es ihm leichter den Bogen zu ziehen. Ohne Training kein gelingender Schuss.
So ist es auch mit unserer Seele. Sie braucht Training. Sie muss sich einüben in das Vertrauen auf Gott. Die Hoffnung in Jesus Christus kommt nicht von allein. Sie wächst nur dort, wo ein Mensch seinen Ruf hört und ihm nachfolgt. Mit jedem Gebet wird das Vertrauen fester. Mit jedem Gebet gewinnt die Hoffnung an Tiefe.
Ich wäre gerne an das Bogenturnier gefahren. Doch wegen der Epidemie wurde es abgesagt. Ich würde gerne mit allen Gottesdienst feiern und vereint vor Gott beten. Doch wegen Corona dürfen wir uns nicht zum Gottesdienst treffen.
Ich könnte mich darüber beklagen. Doch ich klage nicht. Ich nehme meinen Bogen und lasse meine Pfeile fliegen. Allein, doch nicht umsonst. Mit jedem Schuss wächst meine Kraft.
Ich würde gerne Gottesdienst feiern. Doch ich klage nicht. Ich bete und vertraue auf Gott. Mit jedem Gebet wächst meine Zuversicht. Jedes Gebet erfüllt mich ein wenig mehr mit Hoffnung.
Ich kann mich auf Gott stützen, denn er ist ein widerständiger Gott. Er bricht nicht zusammen unter meinem Gewicht. Er setzt mir seine Kraft entgegen, wie es der Bogen tut. In der Auseinandersetzung werde ich aufgerichtet. Mit jeder Begegnung mit Gott und durch jede Stille Zeit mit Jesus Christus gewinnt meine Hoffnung an Tiefe und wird mein Glaube grösser.
Segen
Möge Gott der Bogen in deiner Hand sein.
Möge er dir Widerstand leisten, damit dein Glaube wächst.
Möge er deinen Pfeilen Kraft geben, damit sie das Ziel erreichen.
Möge er dich wachsen lassen im Vertrauen auf ihn.
Möge er deinen Schuss gelingen lassen.
Möge er mit dir sein und dich segnen.
Amen
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