Verdienst oder Geschenkt?

 

Dies aber bedenkt:
Wer spärlich sät, wird auch spärlich ernten, und wer im Zeichen des Segens sät, wird auch im Zeichen des Segens ernten.
2. Kor 9,6

Liebe Gemeinde

Heute feiern wir Erntedankgottesdienst. Die reichen Gaben des Feldes und aus dem Garten hier im Chor unserer Kirche zeugen davon. Liebevoll sind unsere Gaben von fleissigen Händen zu einem Bild des Dankes arrangiert worden. Das hat Tradition. Es ist gut, dass es diese Tradition gibt

 Von ganzem Herzen vielen Dank für Euren Einsatz – Vielen Dank auch allen Spenderinnen und Spendern dieser Gaben der Ernte.

Wir feiern Erntedank. Es ist eine Tradition. Aber es wäre traurig, wenn es nur eine Tradition wäre. Es wäre schrecklich, wenn man nur noch aus Tradition seine Gaben brächte und sich dabei gar nicht mehr bewusst wäre, dass diese Gaben Dankgaben sind. Erntedank ist sinnlos, wenn an ihm der Dank fehlt. Wir würden nur noch Theater spielen. Erntedank setzt voraus, dass wir uns bewusst sind, dass die Ernte ein Geschenk ist. Das die Früchte des Feldes und Gartens uns von Gott gegeben sind. Sie sind Geschenk – nicht Verdienst.

Die Ernte ein Geschenk – kein Verdienst. Das ist ein harter Gedanke. Er widerspricht dem alltäglichen Erleben.

Vielleicht ertragen wir den Gedanken, dass all das, was wir haben – also weit über die Ernte der Landwirtschaft hinaus – dass all das, auf das wir so stolz sind, ein Geschenk sein soll nur noch am Sonntag – nur noch im Gottesdienst. Geschenk und nicht Verdienst – mit diesem Gedanken, darf die Predigt spielen, doch wer macht am Werktag heute noch ernst damit?

Wir sind eine Leistungsgesellschaft. Durch die Brille der Leistung beurteilen wir unseren Alltag. Erfolg, Ergebnis und Ernte sind durch diese Brille gesehen Folge von Leistung. Wer Erfolg hat, wer gute Ergebnisse liefert und reiche Ernte einfährt, der wird für seine Leistung bewundert. Er hat es sich verdient. Ja, oft heisst es sogar: „Nichts ist ihm geschenkt worden. Er hat sich alles selber erarbeitet!“ Verdienst – nicht Geschenk.

Alltägliches Erleben und sonntägliches Feiern sind zum Gegensatz geworden. Sie ziehen ein Spannungsfeld auf. Was kommt zuerst, Verdienst oder Gnade; Fleiss oder Geschenk; menschliche Leistung oder göttliche Gabe? Vermögen oder Segen?

Klar, es geht nicht ohne Einsatz, Fleiss und Schweiss. Weder auf dem Feld, noch in der Fabrik oder im Büro. Auch zum Pfarrerberuf gehören sie mit dazu. Wir Menschen schaffen für unser Auskommen. Nach wie vor ringen wir der Natur ab, was wir zum Leben brauchen, wenn auch mit weniger Schweiss im Gesicht als es Adam und Eva taten. Wir schaffen mit allen Fähigkeiten und aller Kraft, die Gott uns gab und gibt. Ohne Fleiss nützen alle Gaben nichts.

Doch, was nützt aller Fleiss, wenn die Gabe fehlt? Wenn jemand unbegabt ist?

Beim Sänger wird es sofort deutlich. Ein Mensch kann noch so sehr mit Fleiss und Ausdauer üben, wenn ihm die Begabung fehlt, wird doch kein Opernsänger aus ihm. Taktgefühl, Sinn für die Nuancen der Melodie und auch die Klangfarbe der eigenen Stimme müssen gegeben sein. Das Üben und das Lernen vertiefen, was in der Begabung angelegt ist. Doch wo nichts ist, kann auch nichts vertieft werden.

So bleibt trotz allem menschlichen Tun doch alles, das wir haben, zuerst Geschenk. Die Grundlagen unseres Lebens sind uns geschenkt – Wir müssen und wir können nichts dafür oder dagegen tun.

Am Beispiel des Weizenfeldes können wir dies durchdenken:

Es fängt damit an, dass der Bauer das Feld vorbereitet. Er bringt Mist oder einen anderen Dünger auf dem Feld aus. Er pflügt den Boden und arbeitet so die Nährstoffe für die späteren Weizenpflanzen in den Boden ein. Er glättet die Furchen mit der Ecke. Schliesslich bringt er den Samen aus. Das Korn keimt und beginnt zu wachsen. Ähren entstehen, werden befruchtet und schliesslich reifen die neuen Weizenkörner darin. Zur rechten Zeit erntet der Bauer. Der Kreislauf kann von vorne beginnen.

Der Bauer arbeitet das ganze Jahr. Er macht viel, sehr viel. Seine Leistung ist bewundernswert.

Doch das, womit er arbeitet, hat er nicht selbst erschaffen. Weder das Feld, das er bestellt, noch das Korn, das er sät und schon gar nicht das Wachstum, welches den Samen zu Pflanzen werden und Frucht bringen lässt.

In unserem alltäglichen Sprechen, spricht aber niemand von einem Geschenk, wenn er von Feld und Saat spricht. Schliesslich hat der Bauer oder einer seiner Vorfahren, dass Feld einmal für teures Geld von einem Vorbesitzer gekauft. Auch das Saatgut ist nicht gratis zu haben. Man bezieht es über den Zwischenhandel von einem der grossen Agrarkonzerne, welche die Sorten, die wir heute anbauen, gezüchtet hat. Feld und Saat sind nicht Geschenk. Sie sind Verdienst.

Erst, wenn man die Brille der Leistung auszieht und einen neuen Blick wagt, kann man einen neuen Gedanken fassen. Egal, wie lange die Kette der Vorbesitzer eines Feldes und wie komplex der Prozess der Zucht des modernen Weizens auch sein mag: Am Anfang stand doch kein Mensch. Das Feld, welches wir heute als Besitz verstehen, wurde einmal von Gott geschaffen. Es kostete nichts und viele Jahrtausende Menschheitsgeschichte jagte und sammelte jeder und jede frei darauf. Erst als der Mensch sesshaft wurde, erfand er den Besitz. Erst damals kam einer, stand auf das Feld und sagt: „Das ist meins!“

Auch beim Weizensamen war es nicht anders. Der erste Weizen wuchs einfach so, weil Gott ihn als Einkorn schuf. Er vermehrte sich ganz ohne Menschen. Die Jäger und Sammler ernteten ihn und auch die Tiere frassen von ihm.

Doch dann wurde der Mensch Bauer. Das freie Einkorn wurde plötzlich zu seinem Besitz. Der Mensch züchtete aus ihm die Gerste, später den Weizen. Der Mensch begann sich in Gotteshandwerk einzubringen. Er begann seine Welt zu gestaltet.

Der Mensch arbeitet, mit dem von Gott Geschenkten. Das ist gut so. Gott hat es ihm zum Segen gegeben. Er hat dem Menschen Feld und Korn anvertraut, damit der Mensch leben kann.

Der Mensch schuf. Mit Schweiss im Gesicht bestellt er das Land und umgibt sich mit Kultur. Die Reihe der Vorbesitzer eines Feldes und die Reihe der Züchter des Weizens wurden immer länger.

Schliesslich sind die Reihen so lang geworden, dass sie die letzten Glieder nicht mehr überblicken. Der Mensch vergass ihren Ursprung. Die Menschheit vergass den Schöpfer.

Nicht erst heute, schon zur Zeit Paulus galt dies. Die lange Reihe des Kaufens und Verkaufens des Feldes und die vielen Schritte der Zucht des Weizens haben vergessen lassen, dass am Anfang ein Geschenk steht. Aus dem vergessenen Geschenk wurde der Glaube an die eigene Leistung. Was man hat, hat man verdient.

Mit dem Verdienten geht man anders um, als mit dem Geschenkten. Was man selbst geschaffen hat, das verschwendet man nicht. Man setzt die eigenen Mittel effektiv, ja mitunter sparsam ein.

Wer sparsam sät, der sät so, dass die Ernte reicht. Der Blick richtet sich auf den eigenen Besitz. Man investiert, was nötig ist, um den eigenen Besitz zu erhalten. Grosszügigkeit hat nur dort ihren Platz, wo sie dem eigenen Besitz dient.

Doch die Ernte, so sagt es Paulus in unserem Wort über der Predigt, ist abhängig vom Gesäten. Wer spärlich sät, wird spärlich ernten.

Wer spärlich sät, wird spärlich ernten, denn er hat vergessen, dass ihm seine Saat nicht gehört, sondern anvertraut ist. Wer spärlich sät, hat vergessen, dass die Saat und das Land ein Geschenk von Gott sind. Ein Geschenk, das dort reiche Frucht trägt, wo es im Vertrauen auf den Schenker gesät wird.

Was würde sich wohl in unserer Welt verändern, wenn wir mit dem Grundgedanken des Erntedanks ernst machten? Was würde sich verändern, wenn wir all das, was wir haben, nicht mehr länger als unseren Verdienst, sondern als Geschenk betrachten würden? Wenn wir in unserem Alltag ernst machen mit dem Dank?

Klar, wir gingen ein Risiko ein. Wer den Samen sät, riskiert, dass die Frucht nicht aufgeht. Nasses Wetter kann den Spross verderben. Die Hitze desSommers kann die Ernte versengt, ehe sie reif ist.

Wer im Zeichen des Segens handelt, riskiert, dass seine Grosszügigkeit ausgenutzt wird. Andere können nehmen, ohne zu geben. Wie die Saat auf dem Feld keine Frucht bringen kann, kann auch unser soziales Engagement verdorren ehe es reif ist.

Doch die Ernte, welche Gott verspricht, ist das Risiko wert. Ja, die Ernte ist bereits eingefahren. Denn sie liegt in der Freiheit, die Gott schenkt.

Er ist es, der grosszügig die Gnade sät. Wer mit seinem Segen sät, dem verspricht er eine grosse Ernte. Eine Ernte, die nicht verdient, dafür umso mehr geschenkt ist.

Wir dürfen säen. Auf dem Feld und in unserem Leben. Wir dürfen den Samen streuen. Gott verspricht uns, dass wir es nicht vergeblich tun.

Wir dürfen ihm danken für die Früchte, aber auch für die Gnade, die er uns widerfahren lässt. Wir dürfen dankbar sein. In ihm ist uns alles geschenkt. Wir dürfen danken.

Gott, unser Gott
Wir danken dir.
Amen

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