Schmiedet Schwerter zu Pflugscharen!

Er sorgt für Recht unter den Völkern.
Er schlichtet Streit zwischen mächtigen Staaten.
Dann werden sie Pflugscharen schmieden
aus den Klingen ihrer Schwerter.
Und sie werden Winzermesser herstellen
aus den Eisenspitzen ihrer Lanzen.
Dann wird es kein einziges Volk mehr geben,
das sein Schwert gegen ein anderes richtet.
Niemand wird mehr für den Krieg ausgebildet.
Jes 2,4

Von Gott geliebte Menschen

Schmiedet Schwerter zu Pflugscharen!

Als ich etwa acht Jahre alt war, organisierte ein Museum in unserer Nähe einen Tag der alten Berufe. Dort konnte man einem Küfer beim Bau eines Fasses, einem Setzer beim Herstellen einer Druckplatte und einem Köhler beim Aufschichten eines Meilers zuschauen. Das alles faszinierte mich sehr. Doch am meisten in Erinnerung blieb mir ein anderer Beruf.

Bei einem Schmied durfte man nämlich selbst einen Nagel schmieden. Natürlich wollte ich das ausprobieren! Stolz war ich, als ich meinen selbstgeschmiedeten Nagel mit nach Hause nehmen durfte. Doch eigentlich war es gar nicht der Nagel selbst, sondern das ganze Erlebnis, das so lebendig in meiner Erinnerung geblieben ist.

Das Gewicht der langen Eisenstange spüre ich noch heute. Ich erinnere mich, wie viel Überwindung es mich kostete, das eine Ende in die glühende Kohle zu legen. Zuerst hielt ich es wie einen Bratspiess in die Flamme. Und die Hitze und die Gerüche!

Dann begann der schwarze Stahl zu glühen. Zuerst Rot, dann Orange, Gelb, und schliesslich fast weissglühend – eigentlich schon wieder zu heiss, meinte der Schmied.

Als er mir den Hammer in die Hand drückte, klopfte mir das Herz vor Aufregung. Ich schlug auf das glühende Eisen, während der Schmied die Stange geschickt unter meinen Hammerschlägen drehte, sodass sie immer spitzer wurde.

Noch einmal musste das Eisen in die Glut. Mit Hilfe des Schmieds formte ich einen Nagelkopf und durfte mit einem Prägestempel sogar das Logo des Museums einprägen.

Mit einem Zischen landete der Nagel im Wasser und kühlte ab, bevor ich ihn stolz in meiner heissen Hand hielt. Das Schmieden hatte mich angestrengt.

Es braucht die elementare Kraft des Feuers in der Esse und die Stärke des Schmieds, damit aus einem Stück Metall etwas Neues werden kann. Es braucht einen fähigen Schmied, damit aus einem Schwert ein Pflug werden kann.

Schmiedet Schwerter zu Pflugscharen!

Das ist ein starkes Bild, ein Bild, das für sich selbst spricht. Ja, es ist ein gefährliches Bild, vor allem dort, wo ein Volk nicht frei ist.

Als 1983 in der DDR auf dem Lutherhof in Wittenberg eine Kunstaktion geplant wurde, musste diese geheim gehalten werden. Die DDR-Führung hätte alles getan, um sie zu verbieten. Doch schliesslich musste sie zähneknirschend geschehen lassen – ein kleiner Skandal. Die Kunstaktion fand während des Kirchentages statt, einer kirchlichen Veranstaltung in der DDR, bei der oft politische Themen unter dem Deckmantel des Glaubens angesprochen wurden, was die DDR-Führung misstrauisch betrachtete.

Aber was geschah da Skandalträchtiges? Keine nackte Haut wurde gezeigt, kein nationales Symbol verbrannt, kein religiöses Symbols im atheistischen Sozialistenstaat zur Schaugestellt.

Nein, nichts dergleichen. Vielmehr schmiedete der Wittenberger Schmied Stefan Nau aus einem Schwert eine Pflugschar. Er zerstörte das Instrument des Krieges und des Tötens und formte daraus ein Werkzeug für den Ackerbau und das Leben.

Ein so starkes Bild, dass für die DDR-Führung eine Bedrohung darstellte. Es kritisierte ohne Worte und doch für alle klar verständlich das Geschehen. Die Kritik an der Aufrüstungspolitik als Antwort auf die Stationierung der Pershing-II-Raketen in Westdeutschland durch die NATO wurde laut – auch wenn sie nicht ausgesprochen werden konnte.

„Verhandelt, bevor es zu spät ist!“ lautete die Botschaft. „Nehmt das Gesprächsangebot des NATO-Doppelbeschlusses an!“

Denn wenn der Krieg erst einmal ausgebrochen ist und die Waffen sprechen, kann es kein Leben mehr geben. Wo offener Krieg herrscht und das Töten begonnen hat, kommt der Ruf nach Abrüstung zu spät. Im Krieg können keine Schwerter zu Pflugscharen werden. Dann werden Pflugscharen zu Schwertern geschmiedet!

Auch dieses Szenario kennt die Bibel. Der Prophet Joel (Joel 4,10) berichtet davon: Ein Weltenbrand, entfacht von Völkern, die sich gegen Gott erheben. Sie glauben, ihre Freiheit von Gott mit der Schärfe ihres Schwertes erkaufen zu können. Doch die Schlacht ist bereits entschieden. Sie sprechen sich selbst das Urteil. Aus den Werkzeugen des Lebens schmieden sie die Waffen des Todes, die sie schliesslich selbst ereilen.

Auch die DDR-Führung konnte den Funken des Friedens nicht mehr löschen. Mögen die Wurzeln der Friedensbewegung auch nicht in jener Kunstaktion im Lutherhof in Wittenberg liegen, so wurde diese Aktion doch zu einer Ikone dieser Bewegung. Am Ende führte sie zum Untergang der DDR und zum Zusammenbruch der Sowjetunion.

Schmiedet Schwerter zu Pflugscharen!

Ich gestehe es ein. Ich habe den Impuls, der Welt diesen Ruf entgegenzuschreien. Aus vollem Herzen und mit lauter Stimme:

„Schmiedet Schwerter zu Pflugscharen! Jetzt! Endlich! Sofort!“

Es gibt genug Krieg und Gewalt. Genug Menschen sind gestorben. Genug Elend kam über Kinder und Senioren, Frauen und Männer, Fremde und Freunde.

„Stoppt das Morden. Hört auf zu zerstören. Schmiedet Schwerter zu Pflugscharen! Schafft Leben und nicht Tod.“

Ich will Frieden!

Doch es reicht nicht, diesen Frieden nur zu wünschen. Es reicht nicht, ihn als Forderung an die Mächtigen dieser Welt zu stellen. Es reicht nicht, zu erwarten, dass die anderen ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden.

Frieden – das muss bei mir und bei dir, bei uns, anfangen. Nur wenn wir selbst unsere Schwerter in die Glut legen und den Hammer der Veränderung in die Hand nehmen, können Pflugscharen entstehen. Es braucht dich und mich – und die Entscheidung eines jeden Einzelnen. Ich kann nicht für dich entscheiden und du nicht für mich.

Willst du deine Schwerter zu Pflugscharen schmieden? Willst du aus deinem Speer ein Winzermesser machen? Bist du bereit, deine inneren Waffen in die Glut der Veränderung zu legen? Den Hammer zu ergreifen, um daraus Werkzeuge des Lebens zu formen?

Wenn ja, dann beginnt es damit, genau hinzuschauen. Nicht beim anderen, sondern bei dir.

„Was sind meine Schwerter?“ muss ich mich zuerst fragen. Es können meine Vorurteile sein oder meine Annahmen darüber, wie die Welt funktioniert. Meine Worte können Speere sein, die den anderen durchbohren, anstatt ihm auf die Beine zu helfen.

Wie das Eisen im Feuer erhitzt wird, muss ich meine Waffen dem Licht der Einsicht und Selbstkritik aussetzen. Am Feuer kann ich mir die Finger verbrennen. Bei mir selbst genau hinzuschauen, das kann weh tun. Es schmerzt, seine Waffen zu erkennen und zu bemerken, welche Schwerter ich in der Hand halte.

Ist das getan, gilt es, den Hammer zu schwingen. Dann braucht es Veränderung. Nicht nur bei mir. Sondern auch eine Veränderung meiner Beziehungen. Ich muss erkennen, wo meine Beziehungen das Leben behindern. Wo ich dem anderen nicht gut tue. Wo wir im Unfrieden miteinander leben.

Will ich Frieden schaffen, muss ich die Hand zum Frieden ausstrecken. Ich muss Frieden schliessen, ohne gewonnen zu haben. Ich muss Frieden schliessen mit dem, gegen den ich im Kampf liege.

Und das bedeutet – und das ist wohl das Schwierigste – ich muss zuerst Frieden mit Gott schliessen. Und was heisst das anderes, als Gott Gott sein zu lassen? Es heisst nicht länger gegen Gott um meine Freiheit zu kämpfen, sondern sein Gebot als Grundlage meiner Freiheit anzuerkennen. Mich seiner Herrschaft zu beugen und nicht länger selbst der Chef sein zu wollen?

Ja, das ist wohl der schwerste Schritt. Und doch – und das ist das Paradoxe daran – der Schritt, der Freiheit bringt.

Im Lesungstext haben wir es gehört. Der Prophet Jesaja kündigt eine Zeit an, in der sich die Völker freiwillig unter Gottes Gericht stellen. Eine Zeit, in der Gott sein Urteil spricht.

Doch es ist kein Urteil, wie es die Menschen erwarten, sondern ein Urteil, das befreit. Das Streit schlichtet und einen Frieden schafft, der mehr ist als nur das Schweigen der Waffen.

Wenn ich mit Gott Frieden schliesse, brauche ich mein Schwert nicht mehr. Dann muss mein Speer nicht mehr andere durchbohren. Dann muss ich mich nicht für den Krieg rüsten. Dann darf ich Schmied werden. Darf aus einem Werkzeug des Todes ein Werkzeug des Lebens machen.

Frieden beginnt im Herzen eines jeden Einzelnen und braucht den Mut zur Veränderung. Tun wir heute den ersten Schritt.

Schmiedet Schwerter zu Pflugscharen! Der Frieden Gottes sei euer Gewinn.

Amen

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