Du bist es Gott wert!

Israel kann in Sicherheit leben.
Die Quelle Jakobs kann ungehindert sprudeln.
In einem Land voll Korn und Wein
spendet der Himmel Tau und Regen.
5. Mose 33,28

Von Gott geliebte Menschen

Vierzig Jahre lang führte Mose das Volk Gottes durch die Wüste. Nun stehen sie kurz vor ihrem Ziel. Vor ihnen liegt das verheissene Land. Doch Mose darf es nicht betreten. Ihm wurde prophezeit, dass er sterben wird, bevor das Volk das Land betritt. Ein letztes Mal wendet er sich an das Volk und spricht einen langen Segen über sie.

Dieser Segen erstreckt sich über ein ganzes Kapitel. Für jeden der zwölf Stämme Israels gibt es einen eigenen, beinahe persönlichen Segen. In der heutigen Lesung wurden jedoch nur der Anfang und das Ende betrachtet. Diese Verse bilden eine Klammer um die individuellen Segensworte für die Stämme. Sie sind der Rahmen, der das Bild des Segens trägt, und sie selbst sind ein Segen. Sie enthalten eine Zusage und ein Versprechen. Sie sind eine Hoffnung, die auf Gottes Gegenwart baut.

Der Segen gilt dem idealen Israel – der Vision eines Volkes, wie Gott es sich vorstellt. Dieses Ideal wurde in der Geschichte Israels und Judas nur unvollständig verwirklicht, besonders in der Zeit der Könige. Das Abbild des Ideals blieb unklar, wie ein Spiegel, der von einer Schicht aus Staub und Fett bedeckt ist.

Der bleibende Segen

Der Segen erfüllte sich nicht immer für das reale Israel (und Juda, müsste man ergänzen). Das Volk musste viele Niederlagen und Zerstörungen erleiden. Assyrer, Babylonier und Römer zerstörten das Land und vertrieben die Menschen aus ihrer Heimat. Doch der Segen Mose bleibt bestehen. Er gilt auch dann, wenn die äusseren Umstände ihn unsichtbar machen. Er ist wahr, auch wenn er nicht erkennbar ist. So wie ein Verkehrsschild, das auch im Nebel oder unter Schnee seine Gültigkeit behält, bleibt der Segen Gottes bestehen.

Korn und Wein: Lebensgrundlage und Luxus

Was verheisst dieser Segen konkret? Der Text spricht von Sicherheit, einer ungehindert sprudelnden Quelle und einem Land voller Korn und Wein, in dem Tau und Regen vom Himmel gespendet werden.

Sicherheit, Wasser, Nahrung und ein gutes Klima gehören zu den Lebensgrundlagen. Sie sind existenziell. Ohne Sicherheit drohen Gewalt und Krieg. Ohne Wasser herrschen Durst und Krankheit. Ohne Nahrung ist das Überleben unmöglich. Ein ungünstiges Klima bringt Dürren, Überschwemmungen und Naturkatastrophen mit sich.

Doch dann wird Wein erwähnt. Wein ist kein Grundnahrungsmittel. Man kann auch ohne ihn gut leben. Warum wird er trotzdem in den Segen aufgenommen?

Wein war damals ein Luxusprodukt – vielleicht sogar mehr als heute. Nicht wegen seines Preises, sondern wegen des Aufwands und der Zeit, die in seine Herstellung investiert wurden. Die Trauben wurden im August und September geerntet, vor Ort gekeltert und der Saft in Felsbecken gesammelt (siehe auch den Artikel „Weinproduktion“ auf bibelwissenschaft.de. Die Gärung begann mit natürlicher Hefe, deren Wirkung man damals nicht verstand. Guter Wein war ein Zufallsprodukt. Man sah in ihm ein Geschenk Gottes.

Wein war vergänglich. Es gab keinen Lagerwein wie heute. „Alter Wein“ bedeutete, dass der Wein etwa ein Jahr alt war. Er war daher ein besonderes Gut, das viel Zeit und Mühe erforderte. Der Wein wird im Segen erwähnt, weil er über das Lebensnotwendige hinausgeht. Er ist ein Zeichen von Luxus und Genuss, ein Unterbrechen des Alltags und ein Hinweis auf die besondere Fürsorge Gottes.

Der Wein als Symbol im Glaubensleben

Der Wein hat auch eine symbolische Bedeutung. Seine Herstellung braucht Zeit. Ebenso braucht es Zeit und Geduld im Glaubensleben. Glaube wächst nicht geradlinig. Es gibt Zweifel und Krisen, wie es Zeit braucht, bis Trauben reifen und Most zu Wein wird.

Während der Gärung setzt sich die Hefe am Boden ab. Sie muss ruhen, damit der Wein klar wird. Auch die Seele braucht Ruhezeiten, damit sich der „Bodensatz“ des Lebens absetzen kann. Ohne solche Klärungsphasen wird das Leben ungeniessbar – wie Wein, der zu Essig wird.

Der Sonntag ist ein Geschenk Gottes. Er unterbricht die Unruhe des Alltags und lädt uns ein, zur Ruhe zu kommen. Eine Gesellschaft, die keine Ruhe kennt, wird ungeniessbar, wie Wein, der säuerlich wird.

Der Gottesdienst als Luxus

Wein ist ein Luxusprodukt. Und auch der Gottesdienst ist ein Luxus. Er ist nicht lebensnotwendig, sondern ein Zeichen der Freiheit. Wir leisten uns Gottesdienst, weil wir uns Gottes Dienst an uns leisten.

Wir sind reich, weil wir es uns leisten können. Wir nehmen uns eine ganze Stunde Zeit, um uns frei von den Zwängen der Zweckmässigkeit mit Gott zu befassen. Über Gott nachzudenken bedeutet, sich mit einer Freiheit auseinanderzusetzen, die größer ist als jede weltliche Freiheit. Das macht frei. Es befreit von allen Grenzen!

Doch das Wunderbare ist: Gott leistet sich uns Menschen. Nicht nur die gläubigen, nicht nur seine erwählten, sondern alle Menschen. Jeder Mensch. Wir sind Gottes Luxus. Das macht jeden einzelnen von uns unendlich kostbar. Ja, wir sind es Gott wert.

Er schenkt uns nicht nur das Lebensnotwendige, sondern auch seine grenzenlose Liebe und Freiheit. Selbst wenn wir zu „Essig“ werden, verschüttet er uns nicht. Er bleibt bei uns, heute, morgen und für alle Zeit.
Amen

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