Jesus sagt in der Bergpredigt: «Selig, die Frieden stiften – sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden.»
(Mt 5,9)

Von Gott geliebte Menschheit

Morgen jährt sich der Beginn des Krieges in der Ukraine zum dritten Mal. Drei Jahre – das sind 156 Wochen, 1096 Tage, 26.304 Stunden, 1.578.240 Minuten. Gewalt, Verletzungen, Vergewaltigungen, Verstümmelungen, Tötungen, Kriegsverbrechen, Mord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit – unvorstellbare Grausamkeit.

Am 24. Februar 2022 brach zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa ein Krieg zwischen zwei Staaten aus. Damit gingen fast acht Jahrzehnte des Friedens in Europa zu Ende. Wobei – wenn man es genau nimmt – so friedlich war es ja gar nicht gewesen.

Bürgerkriege, wie auf dem Balkan oder in Nordirland, Gewalt durch separatistische Kräfte wie im Baskenland oder auf Korsika, aber auch die Verwicklung europäischer Länder in Kriege auf nicht-europäischem Gebiet, wie der Falklandkrieg oder der Krieg in Afghanistan, gab es auch während dieser Zeit des Friedens in Europa. Aus dieser Perspektive der Gewalt von und gegen den Staat hatte der Ukrainekrieg nichts Aussergewöhnliches.

Auch die Kriegsverbrechen wie das Massaker von Butscha oder die Bombardierung von Kramatorsk waren unglaublich grausam und schockierend – und doch, angesichts der Massaker von Srebrenica oder Banja Luka, waren sie zwar unmenschlich, aber leider nicht aussergewöhnlich.

So erschreckend das alles und noch viel mehr war – so sehr der Mensch zum Monster werden kann – es war nicht das Bemerkenswerteste am Ukrainekrieg.

Was diesen Krieg so einzigartig macht:

Ein souveräner Staat wurde durch einen anderen Staat überfallen. Krieg als Mittel der Politik und zur Verschiebung von Grenzen – seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa undenkbar! Eine rote Linie, die bis zum 24. Februar 2022 als unüberschreitbar galt! Bis zum völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine war das schlicht nicht vorstellbar gewesen.

Entsprechend waren die Reaktionen. Von unbedingter Unterstützung, von militärischer Hilfe und offenen Armen war in der Politik die Rede gewesen. In ganz Europa hatte man Hilfsangebote für die geflüchteten Menschen und materielle Unterstützung für die Menschen in der Ukraine organisiert. Es ging ein Ruck durch die Bevölkerung. Eine Welle der Solidarität und des Mitgefühls. Ja, ich hatte geglaubt, da veränderte sich etwas zum Guten. Da traute man sich, Widerstand zu leisten. Ja, da wollten wir unsere liberale Gesellschaftsordnung verteidigen. Da sagten wir Ja zu Solidarität und Freiheit!

Doch dann …

Drei Jahre, 1096 Tage, bzw. 1.578.240 Minuten später…

Irgendwie hatten wir uns an den Krieg gewöhnt. Irgendwie hatten uns die Nachrichten und Bilder abgestumpft. Irgendwie war der politische Wille zur Unterstützung durch ein Zaudern und ein Schielen auf die eigenen Vorteile ersetzt worden. Die Unterstützung hatte nicht gereicht, um die Ukraine wirksam zu verteidigen. Es waren auch drei Jahre des Stillstands gewesen. Eine Hängepartie zwischen Tod und Leben. Es ging weder vorwärts noch rückwärts. Ein Schlachten von Soldaten wie bei Ypern und Verdun im Ersten Weltkrieg. Ein Abnutzungskrieg, in dem Menschen keine Menschen mehr waren, sondern nur noch Zahlen in der Statistik der Verwundeten und Toten.

Was ist echter Frieden?

Frieden – oder Schalom, wie es das Alte Testament nennt – ist mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Schalom bedeutet nicht nur, dass die Waffen schweigen. Der Frieden, den wir uns im Segen am Ende des Gottesdienstes zusprechen lassen, meint:

Ein tiefes, alle Lebensbereiche umfassendes, mit Gott, den Mitmenschen und der ganzen Schöpfung versöhntes Sein.

Ein Mensch, eine Familie, ein Volk oder gar die gesamte Schöpfung ist im Zustand des Schalom in einem tiefen Sinn des Wortes lebensförderlich. Es ist ein Miteinander statt eines Gegeneinanders. Eine Selbstbeschränkung statt Selbstentgrenzung. Es ist ein Sein, das von der Liebe zum Nächsten, zu Gott und zu sich selbst geprägt ist.

Die Voraussetzung für diesen Frieden ist die Versöhnung. Versöhnung mit Gott. Versöhnung mit sich selbst. Versöhnung mit dem Geschehen. Versöhnung heisst nicht vergessen. Versöhnung heisst auch nicht vergeben. Sondern Versöhnung bedeutet, die Welt so zu erkennen, wie sie ist – mit all ihren Brüchen, mit all ihren hässlichen Seiten und mit all ihrer Gott-Ungefälligkeit. Versöhnung heisst, sich mit seinem Können und seinen Grenzen, mit seinem Vermögen und seinem Unvermögen für eine menschlichere Welt einzusetzen.

Oder kurz gesagt: Frieden setzt Hingabe voraus.

Wer diesen Frieden lebt, der wird Jesus ähnlich. Wird zur Tochter oder zum Sohn Gottes selbst. Dieser Friedensstifter wird zum Nachfolger. Zum Nachfolger Jesu Christi – und damit in letzter Konsequenz ein Nachfolger bis ans Kreuz. Ein Nachfolger bis in den Tod und darüber hinaus.

Nein, Donald Trump ist kein solcher Friedensstifter. Er sucht nicht Schalom, den wahren göttlichen Frieden.

Ganz anders als die Frauen und Männer, die in schwerer Not und Bedrohung den Frieden lebten.

Ein Beispiel für einen Friedensstifter ist für mich Dietrich Bonhoeffer. Er kommt mir in den Sinn, weil eines der vielen Bücher, die er geschrieben hat, Nachfolge heisst.

Bonhoeffer war Pfarrer und Theologe. Während der Nazizeit stellte er sich offen gegen das Regime. Er verwendete einmal ein eindrückliches Bild: Wenn ein Mensch von einer Kutsche überfahren wird, dann reicht es nicht, seine Wunden zu verbinden – man muss dem Rad in die Speichen fallen!

Er meinte damit: Man muss die Ursache des Leidens angehen – auch dann, wenn es einen das eigene Leben kostet.

Bonhoeffer, zutiefst geprägt von einem religiösen Pazifismus, wurde Mitglied einer Verschwörung, die Hitler mit allen Mitteln stoppen wollte. Er tat es im Wissen darum, dass er mit der Beteiligung am Tyrannenmord vor Gott schuldig wurde. Er tat es im Bewusstsein, dass bei diesem Versuch Mitverschwörer, aber auch Unschuldige sterben würden.

Was bedeutet das für uns heute?

Wenn es nicht dieser Frieden ist, den Jesus meint, wie muss der Frieden dann sein?

Welchen Frieden meint die Bibel?

Frieden – oder Schalom, wie es das Alte Testament nennt – ist mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Schalom bedeutet nicht nur, dass die Waffen schweigen. Der Frieden, den wir uns im Segen am Ende des Gottesdienstes zusprechen lassen, meint:

Ein tiefes, alle Lebensbereiche umfassendes, mit Gott, den Mitmenschen und der ganzen Schöpfung versöhntes Sein.

Ein Mensch, eine Familie, ein Volk oder gar die gesamte Schöpfung ist im Zustand des Schalom in einem tiefen Sinn des Wortes lebensförderlich. Es ist ein Miteinander statt eines Gegeneinanders. Eine Selbstbeschränkung statt Selbstentgrenzung. Es ist ein Sein, das von der Liebe zum Nächsten, zu Gott und zu sich selbst geprägt ist.

Die Voraussetzung für diesen Frieden ist die Versöhnung. Versöhnung mit Gott. Versöhnung mit sich selbst. Versöhnung mit dem Geschehen. Versöhnung heisst nicht vergessen. Versöhnung heisst auch nicht vergeben. Sondern Versöhnung bedeutet, die Welt so zu erkennen, wie sie ist – mit all ihren Brüchen, mit all ihren hässlichen Seiten und mit all ihrer Gott-Ungefälligkeit. Versöhnung heisst, sich mit seinem Können und seinen Grenzen, mit seinem Vermögen und seinem Unvermögen für eine menschlichere Welt einzusetzen.

Oder kurz gesagt: Frieden setzt Hingabe voraus.

Wer diesen Frieden lebt, der wird Jesus ähnlich. Wird zur Tochter oder zum Sohn Gottes selbst. Dieser Friedensstifter wird zum Nachfolger. Zum Nachfolger Jesu Christi – und damit in letzter Konsequenz ein Nachfolger bis ans Kreuz. Ein Nachfolger bis in den Tod und darüber hinaus.

Nein, Donald Trump ist kein solcher Friedensstifter. Er sucht nicht Schalom, den wahren göttlichen Frieden.

Mag Amerika aus der Unterstützung aussteigen – es gilt, sich gerade jetzt für die Ukraine, für die Freiheit und letztlich für die Chance auf echten Frieden zu engagieren.

Vertrauend darauf, dass Gott mit seinem Frieden bei uns ist. Auch in unserer Schuld. Auch in unserem Sünderdasein.
Amen

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