Nur einer ist in den Himmel hinaufgestiegen.
Es ist der, der auch vom Himmel herabgekommen ist:
der Menschensohn.
Es ist wie damals bei Mose,
als er in der Wüste
den Pfahl mit der Schlange aufgerichtet hat.
So muss auch der Menschensohn erhöht werden,
damit jeder, der an ihn glaubt,
das ewige Leben hat.
Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt,
dass er seinen einzigen Sohn für sie hingab.
Jeder, der an ihn glaubt, soll nicht verloren gehen,
sondern das ewige Leben haben.
Gott hat den Sohn nicht in die Welt gesandt,
damit er sie verurteilt.
Vielmehr soll er die Welt retten.
Johannes 3,13-17
Liebe Mitchristinnen und Mitchristen
Wie geht es Ihnen heute?
Wie geht es dir, wenn wir heute miteinander an jene Menschen denken, die im vergangenen Jahr gestorben sind?
Ich muss zugeben, meine Gefühle sind gemischt. Ich bin traurig, weil diese Menschen nicht mehr da sind. Weil wir nicht mehr miteinander plaudern, lachen, nachdenken und uns erinnern können. Ich bin dankbar für das, was gewesen ist. Ich schaue auf das Sterben und mache mir so meine Gedanken dazu:
Soll ich mich davor fürchten?
Darf ich getrost sterben?
Fällt es mir am Ende doch schwer, loszulassen?
Muss ich überhaupt loslassen – oder darf ich mich auf Gott verlassen?
Diese Fragen wühlen mich auf.
Gerade wenn ich im Gedenken an die Verstorbenen die Kerzen brennen sehe.
Einmal wird auch mein Name verlesen.
Einmal wird auch für mich eine Kerze brennen.
In meiner Unruhe suche ich nach Trost und Halt.
Ich wende mich der Bibel zu. Ich lese vom Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus, einem Pharisäer. Jesus erinnert Nikodemus an eine Geschichte aus dem Alten Testament:
Bei einer Schlangenplage hatte Mose eine Schlange aus Kupfer oder Bronze an einen Stab geheftet (Num 21,4-9). Wer die Schlange anschaute, dem haben die giftigen Bisse der Schlangen nichts anhaben können. Das Gift konnte ihnen nichts mehr antun – auch wenn die Bisse selbst schmerzten.
So sei es auch mit dem Sohn Gottes:
Wer auf ihn schaut, dem kann der Tod nichts mehr anhaben.
Wer ihm glaubt, der soll das ewige Leben haben.
Ich denke darüber nach. Ich meditiere diese Worte.
„Kann ich das glauben?“, frage ich mich.
„Darf ich das glauben?“
Ich spüre: Ja, ich darf.
Ich darf auf Christus am Kreuz schauen – so wie die gebissenen Israeliten auf die Schlange des Mose geschaut haben.
Der Tod wird mich beissen – so wie die Schlangen die Israeliten gebissen haben.
Er schmerzt und tut grausam weh.
Es ist nicht das, was ich will.
Das Sterben und der Tod sind eine Zumutung.
Doch es ist Gottes Zumutung!
Gott mutet mir die Erfahrung der Endlichkeit, des Sterbens und des Todes zu.
Ja, er nimmt diese Erfahrung selbst auf sich.
Als Menschensohn wird Gott selbst Mensch.
In Jesus Christus macht Gott die Erfahrung des Lebens – mit all der Freude und dem Glück, das es mit sich bringt.
Doch als Mensch erfährt Gott auch die Endlichkeit.
Gott nimmt das Leiden, das er uns zumutet, selbst an.
Gott, der Sohn, stirbt am Kreuz.
In Jesus Christus mutet sich Gott selbst das Leiden, das Sterben und den Tod zu.
Er geht denselben Weg, den auch wir gehen müssen – den Weg, den er uns nicht erspart.
Weil Gott sich selbst all das zumutet, macht er mir Mut.
In diesem Mut begegne ich der Zumutung der Endlichkeit, dem Sterben und dem Tod.
In der Demut vor dem, was Gott in Jesus Christus getan hat, finde ich Trost in der Trauer – und im Blick auf mein eigenes Sterben.
Gott erspart mir das eigene Sterben nicht,
so wie er mir auch die Trauer um jene nicht erspart,
die vor mir gegangen sind.
Und doch:
Weil er all das auch auf sich genommen hat und am Kreuz gestorben ist – darf ich hoffen.
Christus ist auferstanden.
Er hat den Tod nicht beseitigt – aber er hat ihn überwunden.
Er hat dem Tod die Ewigkeit genommen – und sie dem Leben geschenkt.
Damit alle, die auf ihn vertrauen, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.
Amen



