Ein täglicher Gedanke in Zeiten des Virus – Tag 7

Kommt zu mir, all ihr Geplagten und Beladenen: Ich will euch erquicken.
Mt 11,28

Wir alle haben unsere Geschichte mit dem Virus. Heute möchte ich Ihnen meine erzählen.

In den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr las ich zum ersten Mal von einem neuen Virus, das sich scheinbar in einer chinesischen Stadt ausbreite, deren Name ich nie zu vor gehört hatte: Wuhan. Die wenigen Zeilen auf der letzten Seite der Zeitung enthielten kaum Konkretes. Mehrere Duzend Menschen seien an einer neuen Lungenkrankheit erkrankt. Es gebe ein erstes Todesopfer.

Ich dachte: Wohl mit Vorerkrankung. Keine Panik. Auch die Grippe fordert jedes Jahr ihre Opfer. Wird schon nicht so schlimm kommen. Die Schweinegrippe war am Ende auch harmloser als jede saisonale Grippe. Ich wandte mich anderem zu.

Ich hätte jenen ersten Artikel gewiss vergessen, wären ihm in den folgenden Wochen nicht weitere gefolgt. Immer mehr Informationen gelangten zu uns. Die Artikel wurden länger und rückten weg von der letzten Seite. Tag um Tag arbeiteten sie sich in Richtung Frontseite. Als Italien am 28. Januar den ersten Fall meldete, nahm ich die Meldung nicht mehr gleichgültig entgegen. Eine leise Sorge meldete sich. Zugleich wurde ich mit meinem eigenen latenten Rassismus konfrontiert. Ich dachte, dass ein europäisches Land, das zwar seine Probleme mit dem Gesundheitswesen hat, aber doch auch Zugang zu Spitzenmedizin verfügt, mit dieser Krankheit fertig wird. So empfand ich zwar ein mulmiges Gefühl, doch echte Sorgen lösten dieser und die folgenden Fälle nicht aus. Es wird schon gut kommen, dachte ich. In der Schweiz sind wir sicher, auch mit offenen Grenzen. Die wenigen Fälle, die uns erreichen, wird unser Gesundheitssystem gut schlucken. Aus einem Gefühl der Sicherheit nahm ich die Kranken und Sterbenden in Italien und China in mein Gebet auf und vertraute darauf, dass der Spuk bald vorbei sei.

Es kam anders. Die Kantone Tessin und Wallis meldeten Fälle, die Romandie und bald auch die Deutschschweiz. Der Bundesrat machte es zum Thema. Zum ersten Mal nahm ich Daniel Koch bewusst war. Wir müssen auch bei uns mit Toten rechnen, verkündete er in der Tagesschau. Nun war es da, das Gefühl der Sorge, aber auch die Hoffnung, dass wir noch einmal mit einem blauen Auge davonkommen würden. Mit Daniel Koch bekam der Kampf gegen das Virus ein Gesicht, ernst und doch nicht hoffnungslos. Klar und doch ruhig erklärt er seither die Lage. Als Arzt gelingt es ihm den Patienten Schweiz als mündigen Patienten wahrzunehmen und doch zugleich väterlich zu begleiten. Dafür bin ich dankbar.

Erste Massnahmen wurden beschlossen. Vorerst betrafen sie mich und meine Arbeit nur marginal. Nur bei den Wocheneinkäufen rührte sich ein unbestimmtes Gefühl im Magen. Für die Gottesdienste und die kirchlichen Veranstaltungen suchten wir vorsorglich nach den Materialen, die wir für die Schweinegrippe von der Landeskirche zur Verfügung gestellt bekamen, in unserem Lager. Wir feierten Abendmahl mit der Gemeinde, noch riet niemand davon ab.

Doch dann kam das Virus näher. Die Fallzahlen stiegen. Als Gemeinde übernahmen wir Verantwortung und beschlossen von uns aus Veranstaltungen abzusagen, deren Zielpublikum sich mit der Risikogruppe deckte. Nicht immer stiess ich bei den nötigen Telefonaten auf Verständnis. Doch die allermeisten Referentinnen und Referenten, Leiterinnen und Leiter und die Freiwilligen verstanden unsere Sorge.

Schliesslich nahm die Krise so sehr Fahrt auf, dass mancher unserer Entscheide von den Ereignissen überholt wurde. Plötzlich war all das nicht mehr möglich, was noch vor wenigen Wochen selbstverständlich war. Schliesslich stellten wir am vergangenen Montag alle Veranstaltungen ein, wenige Stunden danach war klar, das kirchliche Leben, wie wir es kannten, wird es vorerst nicht mehr geben.

Um ein wenig Trost zu spenden, begann ich mit Anrufen bei unseren Gemeindegliedern und nahm mir vor jeden Tag ein Stück Trost, Hoffnung und Kraft mit diesen Gedanken zu spenden.

Heute, nach der ersten Woche unter surrealen Bedingungen gestehe ich ein: Ich schreibe diese Gedanken auch für mich. Ich schreibe von meiner Hoffnung und meiner Ohnmacht, meiner Schwäche und der Kraft, die ich in Gottes Wort finde. Ich weiss nicht, ob und von wem diese Zeilen gelesen werden. Ich hoffe, sie bestärken nicht nur mich, sondern sie sind auch für sie tröstlich. Ich bin und will kein Vorbild sein. Ich mache mir ehrlich Sorgen. Ich fühle das Gewicht und die Last der Pandemie. Doch will ich nicht verzweifeln. Als Mühseliger und Beladener komme ich zu Jesus Christus und hoffe, sie kommen mit mir. Bei ihm finde ich immer wieder neue Kraft und Bestärkung. Die Begegnung mit ihm im Gebet tut mir gut. Er erquickt mich.

Wie geht es Ihnen? Es würde mich freue, zu hören, was Ihnen gut tut in dieser surrealen Zeit.

Ein Gebet

Herr Jesus
Ich komme zu dir.
Mit meiner Sorge und meiner Hoffnung.
Mit meiner Ohnmacht und meinem Vertrauen.
Ich glaube. Hilf meinem Unglauben.
Ich vertraue auf dich. Stärke mich in der Anfechtung.
Ich will vor dir beten.
Bete du in mir.
Lasse deines Vaters Schöpfung nicht im Stich.
Bewahre mich und meine Gemeinde, mein Land und meine Welt.
Gib Kraft den Kranken.
Versöhne die Sterben.
Tröste die Trauernden.
Erhalte uns in deinem Wort.
Lass mich zu dir kommen.
Erquicke meine Seele.
Mach uns Stark in der Liebe und Sorge für unsere Nächsten.
Amen

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