Ein täglicher Gedanke in Zeiten des Virus – Tag 55

Denn du hast mich erfreut, HERR, durch dein Walten, über die Werke deiner Hände juble ich.
Ps 92,5

Es war einmal ein kleiner Junge. Nicht viel grösser als die Hosenbeine seines Vaters lang waren. Neugierig blickte er mit seinen kastanienbraunen Augen in die Welt. Wobei die Welt, in der er lebte recht überblickbar war. Da war das Dorf mit den lehmfarbenen Hütten, die sich in die Landschaft einschmiegten. Der Brunnen, an dem sich alle trafen. Der hölzerne Pferch, in dem alle Familien des Dorfes ihre Schafe und Ziegen über Nacht einschlossen. Ein paar karge Felder waren auf ebenen Stellen angelegt worden, doch im Grossen und Ganzen war die Landschaft recht hügelig und bot keine guten Bedingungen für Ackerbau. Die Menschen lebten von der Kleinviehzucht, so auch die Familie von Nathanael, so heisst übrigens unser kleiner Junge mit den kastanienbraunen Augen und dem nachtschwarzen Kraushaar. Doch so nennt ihn nur seine Mutter. Alle andern rufen ihn Nana.

Jeden Tag, wenn die Sonne den Schleier der Nacht durchbricht, holt Nana die Tiere seines Vaters aus dem Gemeinschaftspferch. Seine Schafe und Ziegen kennen seine Stimme. Ein Ruf und sie sammeln sich um ihn. Ein Pfiff und sie ziehen mit ihm los aus dem Dorf, über die Felder hinauf zu den Hügeln. Er kennt die saftigen Wiesen und weiss, wo seine Tiere auch bei langer Dürre nicht hungern müssen. Er setzt sich unter einen Baum in den Schatten, beobachtet seine Tiere und hängt seinen Gedanken und Tagträumen nach.

Eines Tages, er betrachtete gerade eine schneeweisse Blume, die zu seinen Füssen wuchs, überfiel ihn in seinem Nachdenken eine Frage. «Wer hat das alles gemacht?»

Deswegen begann er nachzudenken. «Das Hemd, das ich trage, nähte meine Mutter. Ich weiss es, weil ich ihr zusah. Das Haus, indem wir leben, baute mein Vater. Ich weiss es, weil er es mir erzählte. Den Brunnen, an dem wir uns treffen, gruben unsere Vorfahren. Ich weiss es, weil er ganz ähnlich gebaut ist, wie unsere Häuser. Wo meine Tiere hingehen, weiss ich, denn ich kann ihre Spuren lesen. Wo sie waren, erfahre ich, wenn ich den umgekehrten Weg gehe. Doch wer hat sie gemacht. Wer hat die Hügel, die Wiesen, die Tiere und diese Blume geschaffen? Sie ist so anders als das Werk von Menschen.» So dachte er nach. Seine Gedanken wanderten von Hügeln, Blumen, Pflanzen, Tieren zu den Wolken und dem Himmel. Er dachte nach. Den ganzen Tag. Er vergass die Zeit. Es wurde dunkel. Die Nacht brach an. Da überkam ihn Furcht. «Führt den alles Nachdenken nur noch tiefer in die Finsternis? Kann man es je verstehen?», dachte er. Und eine Träne kullerte über seine Backe.

Bis schliesslich die Sterne am Himmel strahlten und er die Milchstrasse über sich sah. «Wer auch immer dies gemacht hat. Er hat es gut gemacht!» Dieser Gedanke tröstete ihn. «Alles hängt mit allem zusammen. Ich lebe, weil das Gras wächst. Unsere Schafe und Ziegen fressen es. Wir trinken ihre Milch. Alles fügt sich zueinander!» Und zum ersten Mal sah er die Spuren des Schöpfers um sich. Er war geborgen. Er war gehalten. Und während er einschlief formte sich ein Gebet in seinem Herzen. «Du hast mich erfreut, Schöpfer, durch dein Walten. Über das Werk deiner Hände juble ich.»

So fand ihn schliesslich sein Vater friedlich auf der Wiese schlafend. Er trug Nana nach Hause. Am anderen Morgen erwachte er. Doch Nana war nicht mehr derselbe. Etwas hatte sich verändert. Er trug ein Licht in sich. Seine Freude strahlte still in die Welt hinein. Wer ihm begegnete spürte einen tiefen Frieden. Gott hatte sein Herz berührt.

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